Lesen Sie die englische Übersetzung: Respiratory Distress--Don't Break the Camel's Back
Einleitung
Notfallpatienten mit Dyspnoe haben in der Regel keine Sauerstoffreserven und sind äusserst stressempfindlich, was die Diagnosestellung und spezifische Therapie für den Tierarzt sehr schwierig macht. Unabhängig von der Ursache sind Tiere mit Atemnot Notfallpatienten und die initialen Minuten in der Praxis entscheiden häufig über den Verlauf respektive die überlebenschancen. Der Kliniker muss deshalb anhand von klinischen Zeichen, der Anamnese und nicht-invasiven Untersuchungen die Ursache des Atemproblemes eingrenzen und eine Notfallstabilisation einleiten.
Klinische Untersuchung
Patienten mit Atemnot sollten -unabhängig von der Ursache und vor dem zusätzlichen Stress einer klinischen Untersuchung- mit Sauerstoff supplementiert und so stressfrei wie möglich untersucht werden. Die Tiere sollten die bestmögliche Haltung selber bestimmen können und präsentieren sich meist sternal oder stehend, mit abgewinkelten Ellbögen, um das Thoraxvolumen so gross wie möglich zu halten.
Die Erstuntersuchung des Notfallpatienten mit Atemnot folgt dem Schema des ABC. Eine Verlegung der Atemwege kann anhand von massiver inspiratorischer Dyspnoe vermutet werden. Zur Untersuchung der Atmung (B= Breathing) gehört die Erkennung des Atemtyps, eine abnormale Atemfrequenz, veränderte Auskultationsbefunde oder zyanotische Schleimhäute. Kreislaufparameter (C= Circulation) wie Herzfrequenz, Pulsrate und -stärke, Schleimhautfarbe, -beschaffenheit und kapilläre Füllungszeit (KFZ) sowie Körpertemperatur sind hilfreich bei der Identifikation von zusätzlichen Problemen, die lebensbedrohend sein könnten oder können Hinweise für die Ursache der Atemnot geben.
Lokalisation des Respiratorischen Problems und Differentialdiagnosen
Anhand der klinischen Symptome kann das klinische Problem im Respirationstrakt lokalisiert und die Differentialdiagnosen eingeschränkt werden.
Inspiratorische Dyspnoe und/oder ein lautes Atemgeräusch ist ein Hinweis für ein Problem im oberen Atemwegstrakt (Nase, Larynx/Pharynx, Trachea, Hauptbronchen). Eine extrathorakale Lokalisation führt zu einem lauten inspiratorischen Atemgeräusch (Stridor oder Stertor). Das Öffnen des Maules kann weiter helfen, das Problem in der Nase oder im Rachen zu lokalisieren. Probleme in Nase/Larynx führen häufig zu Nasenausfluss und/oder Schluckbeschwerden als weiteres Symptom. Inspiratorische Dyspnoe ohne hörbares Atemgeräusch ist im intrathorakalen oberen Atemtrakt (intrathorakale Trachea und Hauptbronchen) lokalisiert.
Differentialdiagnosen von oberen Atemtraktläsionen sind Fremdkörper, Massen, Schwellungen, Larynxparalyse, Trachealkollaps oder brachycephales Syndrom.
Expiratorische Dyspnoe entsteht bei einem Problem im unteren Atemwegstrakt (Bronchien, Bronchioli, teilweise auch Alveolen). Dies ist besonders ausgeprägt bei Katzen mit Asthma. Bei der Auskultation können Giemen und verstärkte Atemgeräusche sowohl inspiratorisch wie expiratorisch festgestellt werden. Feuchte Lungengeräusche sind Hinweise für bronchiale Flüssigkeit, welche ein Hinweis für Lungenblutungen (andere Hinweise für Trauma) oder Lungenödem (Herzgeräusch und Arrhythmien ausschliessen) sein können.
Eine gemischte Dyspnoe kann ein Hinweis für ein Lungenparenchymproblem sein (Lungenkontusionen, infektiöse Pneumonie, Aspirationspneumonie und Lungenödem (kardiogen oder nichtkardiogen), wird allerdings auch bei anderen Differentialdiagnosen gesehen. Die Auskultationsbefunde können hier weiterhelfen.
Tiere mit einem Pleuralspaltproblem (inkl. Mediastinum und Zwerchfell) zeigen fast immer eine asynchrone Atmung (Abdomen bewegt sich während der Inspiration einwärts) zusammen mit verminderten Lungengeräuschen bei Auskultation. Bei einem Pneumothorax sind die Lungengeräusche dorsal gedämpft, bei Pleuraerguss eher ventral. Asymetrische Auskultationsbefunde oder Darmgeräusche können Hinweis für eine Zwerchfellhernie sein.
Eine oberflächliche, schnelle Atmung oder hecheln können bei Schmerzen, Stress, Brustwandverletzungen (Rippen, Muskulatur) gesehen werden. Schock, massive Azidose und zentralnervöse Störungen können ebenfalls zu Tachypnoe oder verändertem Atemtyp führen. Die Auskultationsbefunde sind in diesen Fällen häufig normal.
Notfallstabilisation
Sauerstoffist die Therapie der Wahl bei allen Patienten mit Atmungsproblemen. Sauerstoff sollte initial via Maske oder Flow-by mit 5-15 l/min supplementiert werden. Im weiteren Verlauf ist es praktischer, eine nasale Sauerstoffsonde zu setzen oder dem Tier mittels halb abgedecktem Halskragen Sauerstoff zuzuführen. Die Sauerstoff-Dosierung beträgt 100 ml/kg/min für die O2 Sonde (1-2 l/min für Katzen und kleine Hunde, 2-3 l/min für mittlere Hunde und 4-6 l/min für grosse Hunde) und 200 ml/kg/min für den O2-Kragen (2-8 l/min). Stress und übermässiges Festhalten beim Durchführen der Sauerstofftherapie sollte unbedingt vermieden werden. Falls eine Sauerstoffboxe zur Verfügung steht, können kleine Tiere auch direkt aus dem Transportkorb in die Sauerstoffboxe umgelagert werden. Abhängig von der Lokalisation kommen weitere Notfallmassnahmen und -medikamente zum Einsatz (Tabelle 1).
Bei Hinweisen für eine obere Atemwegsstenose wie inspiratorische Dyspnoe mit oder ohne Stridor müssen die Atemwege freigelegt werden. Allfällige Fremdkörper im Larynxbereich können mittels langer Fremdkörperzange entfernt werden. Unter Umständen ist eine Tracheotomie nötig.
Schmerzen können Symptome von Atemnot verstärken oder sogar die Ursache dafür sein (Rippenfrakturen). Vor allem Traumapatienten sollten deshalb früh und genügend analgetisch abgedeckt werden. Als Analgetika eignen sich Opioide wie Methadon (0.1-0.2 mg/kg IV oder IM), Butorphanol (0.1-0.2 mg/kg IV oder IM) oder Fentanyl (2-5 ug/kg IV), da diese schnell wirksam, titrierbar und antagonisierbar sind. Wird neben der Analgesie auch ein sedativer Effekt gewünscht so können die oben erwähnten Opioide mit Acepromazin (0.005 mg/kg IV oder IM) kombiniert werden. Eine Sedation ist vor allem hilfreich bei Patienten mit inspiratorischer Dyspnoe aufgrund Larynxparalyse oder Trachealkollaps, um eine weitere Schwellung der oberen Atemwege zu verhindern. Bei jeglicher Sedation muss jedoch damit gerechnet werden, dass es zu Atemdepression kommt und die Kompensationsmechanismen ungenügend werden. In diesem Fall ist eine Intubation und Beatmung unumgänglich und das entsprechende Material sollte vor der Sedation bereits bereitgestellt worden sein: Tubus in verschiedenen Grössen, Führungsdraht, funktionierendes Laryngoskop, Gazetupfer, Spritze um Cuff aufzublasen, Halteband und evt. Lidokain-Spray.
Schwellungen der oberen Atemwege können mittels Kortikosteroiden lokal (Beconasol® Spray) und/oder systemisch (Dexamethason 0.25 mg/kg IV) behandelt werden.
Tiere mit unteren Atemwegsproblemen profitieren unter Umständen von Bronchodilatatoren (Terbutalin 0.01 mg/kg SC oder Theophillin 4 mg/kg langsam IV).
Bei feuchten Lungengeräuschen ohne klinischen Hinweis von Hypovolämie oder Dehydratation kann eine Dosis Furosemid (1-2 mg/kg IV, IM) appliziert werden. Weitere Gaben sollten nur bei hohem Verdacht von kardiogenem Lungenödem gegeben werden, da Furosemid zu Diurese und Hypovolämie führt.
Bei asynchroner Atmung mit verminderten Lungengeräuschen sollte unbedingt eine Thorakozentese durchgeführt werden (vor dem Röntgen!). Diese ist sowohl diagnostisch als auch therapeutisch von Nutzen. Bei richtiger Durchführung ist das Risiko einer Komplikation sehr gering. Bei Verdacht auf Pneumothorax wird die Thorakozentese wird im 7.-9. Interkostalraum durchgeführt, bei Flüssigkeit eher im 5.-7. oder besser unter Ultraschallkontrolle. Das entsprechende Gebiet wird rasiert und desinfiziert. Die Punktion erfolgt mittels Butterfly-Katheter oder Nadel mit Verlängerungsschlauch, die mit einem 3-Wege-Hahn und Spritze verbunden sind. Kann nach senkrechter Punktion Luft oder Flüssigkeit aspiriert werden, wird die Nadel parallel zur Brustwand gebracht und so belassen, um Verletzungen der Lunge zu vermeiden.
Eine penetrierende Thoraxwunde sollte nie durch einen (Druck)verband geschlossen werden, da der Verschluss des Thorax zu einem lebensbedrohenden Spannungspneumothorax führen kann. Grosse Wunden werden mittels Gazetupfern geschützt, die an 3 Seiten angeklebt werden können, alternativ kann zur überbrückung, z.B. für den Transport, ein Thoraxdrain direkt in die Wunde gelegt werden, dieser muss jedoch kontinuierlich abgesaugt werden oder an ein Heimlich-Ventil angeschlossen sein. Heimlich-Ventile funktionieren nur, solange sie nicht feucht werden (Blutung!).
Zeigt das Tier trotz Sauerstoff, Analgesie und erster Behandlung anhand der Lokalisation massive Dyspnoe oder Zyanose, so sollte das Tier intubiert und ventiliert werden, bevor es zum Atem- und Herzstillstand kommt. Da eine orotracheale Intubation nur beim bewusstlosen oder anästhesierten Patienten durchgeführt werden kann, sollte wenn möglich nach der initialen Stabilisation ein intravenöser Zugang gelegt werden, um a) die Gabe von Medikamenten wie Analgetika oder Beruhigungsmitteln zu ermöglichen und b) im Falle einer Verschlechterung der Atmung das Tier jederzeit anästhesieren, intubieren und beatmen zu können. Auch hier ist aber das Ziel, dass das Tier dabei mit Sauerstoff supplementiert und nicht gestresst wird. Intubation und Ventilation mit 100% Sauerstoff haben den grossen Vorteil, dass die Atmung damit maximal kontrolliert ist und weitere Untersuchungen durchgeführt werden können, ohne das Tier zu stressen. Als Anästhesieprotokoll müssen Anästhetika gewählt werden, die eine schnelle Intubation ermöglichen, wie zB Propofol oder Etomidat.
Tabelle 1: Notfallmedikamente beim Patienten mit Atemnot
Lokalisation
|
Wirkstoff
|
Markenname
|
Dosierung
|
Wirkung
|
Obere Atemwege
|
Dexamethason
|
Dexa-TAD
|
0.25 mg/kg IV
|
Entzündungshemmend, abschwellend
|
Beclomethason
|
Beconasol
|
1 Pumpspray lokal
|
abschwellend
|
Butorphanol
|
Morphasol
|
0.2 mg/kg IV/IM
|
Analgesie, Sedation
|
Acepromazin
|
ACP
|
0.005 mg/kg IV/IM
|
Sedation
|
Untere Atemwege
|
Terbutanyl
|
Bricanyl
|
0.01 mg/kg SC
|
Selektiver Bronchodilatator
|
Theophillin
|
Euphillin
|
4 mg/kg langsam iv
|
Bronchodilatator (nicht selektiv)
|
Salbuteron
|
Ventolin
|
108 ug Inhalation
|
Bronchodilatator (lokal)
|
Dexamethason
|
Dexa-TAD
|
0.25 mg/kg IV
|
Entzündungshemmend, abschwellend
|
Fluticason
|
Axatide
|
44-220 ug Inhalation
|
Entzündungshemmend, abschwellend
|
Lungenödem kardiogen
|
Furosemid
|
Furodrix
Dimazon
|
1-2 mg/kg IV/IM/SC
|
Diurese Verminderung des hydrostatischen Druckes
|
Weitere Diagnostik
Thoraxröntgen können jedoch hilfreich sein, wenn es um den Verlauf oder um die Prognose geht oder als weitere Untersuchung wenn die initiale Notfallbehandlung keinen Erfolg zeigte. Sie bedingen jedoch eine korrekte Lagerung und sind deshalb mit einer erhöhten Mortalität bei instabilen Patienten verbunden.
Die Oxygenierung des Blutes kann nur anhand von arteriellen Blutgasen beurteilt werden. Die SpO2 Messung erlaubt eine indirekte Beurteilung. Normal sind Werte > 95%. Ist der gemessene Wert < 90%, so muss von einem bedeutenden Oxygenierungsproblem ausgegangen werden und der Patient sollte mit Sauerstoff supplementiert respektive intubiert und beatmet werden.
Referenzen
Referenzen sind auf Anfrage erhältlich.