Kolitis Beim Hund
World Small Animal Veterinary Association World Congress Proceedings, 2010
Iwan A. Burgener, Dr.med.vet., PhD, DACVIM, DECVIM-CA
Bern, Schweiz

Lesen Sie die englische Übersetzung: Approach to Canine and Feline Colitis

Einleitung

Kolitis wird definiert als eine Entzündung des Kolons und ist die häufigste Ursache für Dickdarmdurchfall. Das Kolon spielt eine wichtige Rolle bei der Rückgewinnung von Wasser und Elektrolyten und ist zugleich Speicherort des Kotes bis zu dessen Ausscheidung. Das Kolon hat jedoch auch Funktionen in der Verdauung, was oft vergessen wird. Die bakterielle Flora des Kolons fermentiert unverdaute Kohlenhydrate wie Rohfasern. Eine Störung des normalen Gleichgewichtes im Kolon kann zu Problemen bei der Absorption und der Motilität führen, was sich klinisch als Dickdarmdurchfall äussert.1

Pathophysiologie

Das normale Darmepithel ist trotz des ständigen Kontaktes mit der kommensalen Darmflora nicht entzündet. Die Darmepithelzellen bilden eine Barriere zwischen dem Körper und Viren, Bakterien und Parasiten im Darmlumen. Zudem sind die Epithelzellen auch immunologisch aktiv, indem sie Antigene verarbeiten und präsentieren, Zytokine produzieren sowie Entzündungszellen rekrutieren als Antwort auf den Kontakt mit pathogenen Keimen.2 Inflammatory bowel disease (IBD) entsteht aus dem Zusammenspiel von prädisponierenden genetischen Faktoren und Stimuli aus der Umwelt wie repetitive Muster auf der Oberfläche von Mikroben, welche durch das Immunsystem erkannt werden und zu mukosaler Entzündung führen.3 Bei Hunden mit IBD wird vermutet, dass der Verlust der Toleranz gegenüber luminalen Antigenen wie Bakterien oder Futtermittelbestandteilen ein wichtiger Teil der Entstehung ist. Begünstigende Faktoren hierzu könnten die Zerstörung der mukosalen Barriere, eine Fehlregulation des Immunsystems oder Störungen in der intestinalen Flora sein.4

Durch die Entzündung des Kolons werden weniger Wasser und Elektrolyte absorbiert und die Motilität des Kolons ändert sich. Die produzierten Zytokine verändern die Funktion der glatten Muskelzellen, was zu einer abnormalen Motorik führt. Die normalen Kontraktionen des Kolons (Kneten und Mischen) werden reduziert und die Giant Migrating Contractions (GMCs) werden gesteigert. GMCs führen zur raschen Vorwärtsbewegung von Darminhalt. Diese GMCs treten normalerweise nur 1-2 x täglich auf, ihre Frequenz wird aber durch die Entzündung deutlich gesteigert. Dies ist ein wichtiger Faktor beim Entstehen von Durchfall, abdominalen Krämpfen und erhöhtem Drang zum Kotabsatz bei Kolitis. Becherzellen werden zudem vermehrt Schleim produzieren als Antwort auf die Entzündung.1

Histopathologie

Trotz bisher fehlender Standardisierung kann die Histologie ein wichtiges Hilfsmittel sein v.a. bei chronischer Kolitis. Die neuen WSAVA-Richtlinien werden hier hoffentlich helfen.5 Kolitis wird durch die prädominierenden Entzündungszellen beschrieben zusammen mit Veränderungen der normalen Architektur und dem Schweregrad der Veränderungen.1

Lymphoplasmazelluläre Kolitis ist die häufigste Form bei Hund und Katze. V.a. beim Deutschen Schäferhund wird ein Zusammenhang zwischen Kolitis und Perianalfisteln vermutet. Die meisten Lymphozyten und Plasmazellen sind in der Lamina propria zu finden. Zudem sind Kryptendilatationen, Verlust von Oberflächenepithel sowie eine Verminderung der Becherzellen die häufigen histopathologischen Veränderungen bei chronischer Kolitis.

Eosinophile Kolitis ist geprägt von Ansammlungen von eosinophilen Granulozyten in der Lamina propria. Bei Patienten mit einem hypereosinophilen Syndrom kann zudem eine periphere Eosinophilie auftreten. Diese Form von Kolitis ist seltener und tritt v.a. bei jüngeren Tieren auf. Obwohl die ursächliche Beteiligung von Endoparasiten, Infektionen und Futterallergie zwar häufig vermutet aber nicht bewiesen ist, ist eine Untersuchung und allfällige Behandlung dieser Ursachen sicher immer angezeigt, v.a. da die Behandlung einer eosinophilen Kolitis tendenziell schwieriger ist als von einer lymphoplasmazellulären Kolitis.

Granulomatöse Kolitis ist charakterisiert durch das Vorhandensein von periodic acid-Schiff (PAS) negativen Makrophagen und anderen Entzündungszellen in der Lamina propria. Die granulomatöse Kolitis ist selten und weist häufig segmentale Verdickungen mit partieller Obstruktion auf. Ileum und Kolon sind am häufigsten betroffen. Der Ausschluss von Entzündung sekundär zu Pilzerkrankungen, intestinalen Parasiten, feliner infektiöser Peritonitis und Fremdkörpern ist wichtig.1 Die optimale Therapie ist umstritten, obwohl oft die Resektion als Therapie der Wahl angeschaut wird.

Histiozytäre ulzerative Kolitis (HUC) ist eine hochgradige Entzündung, welche v.a. Boxer jünger als 4 Jahre betrifft. Andere Rassen wie Französische Bulldoggen, Mastiff, Alaskan Malamute und Dobermann werden sporadisch befallen.6,7 Die Anhäufung von PAS-positiven Makrophagen und der Verlust von Epithel und Becherzellen führen zu Verdickungen und Ulzerationen des Kolons und in der Folge zu blutig-schleimigem Kot, Anämie, Hypoalbuminämie und Gewichtsverlust. Bis vor kurzem wurde HUC als Sonderform von IBD betrachtet, bis ein adhärenter und enteroinvasiver Phänotyp von E. coli als Ursache identifiziert wurde.6 Dies erklärt auch, weshalb schon vorgängig Enrofloxacin für mindestens 4-6 Wochen als erfolgreiche Therapie beschrieben wurde.8

Differentialdiagnosen

Symptomatische Therapie kann bei akuter Kolitis genügend sein, wohingegen es bei chronischen Dickdarmproblemen wichtig ist, eine definitive Diagnose stellen zu können, da viele andere Dickdarmerkrankungen ähnliche Symptome auslösen können wie eine chronische Kolitis. Gerade beim Hund wird eine akute Kolitis häufig nach Aufnahme von unpassendem Futter/Fremdmaterial oder als Nebenwirkung von Antibiotika oder NSAIDs festgestellt. Parasiten (Hund: Trichuris vulpis u.a.; Katze Tritrichomonas foetus u.a.), Bakterien (Clostridium perfringens, enteroinvasive E.coli (HUC)) und Pilzerkrankungen (z.B. Histoplasma capsulatum und Pythium insidiosum) sind die wichtigsten infektiösen Differentialdiagnosen. Zudem ist v.a. bei jüngeren Hunden immer an eine mögliche Futtermittelunverträglichkeit und bei älteren Hunden an eine Neoplasie (Adenokarzinom, Lymphom) oder einen adenomatösen Polypen zu denken.

Symptome und Klinische Untersuchung

Dickdarmdurchfall ist das häufigste Symptom bei Kolitis und ist charakterisiert durch mögliche Schleimbeimengungen, Hämatochezie, Tenesmus und manchmal Schmerzen beim Kotabsatz. Zudem zeigen die Tiere häufig einen vermehrten Drang und eine erhöhte Frequenz beim Kotabsatz mit kleineren Mengen pro Mal. Bei Katzen mit chronischer Kolitis ist Hämatochezie ohne Durchfall häufig das einzige Symptom. Erbrechen und Gewichtsverlust kann v.a. bei schweren Fällen (z.B. HUC) oder Krankheiten welche auch Magen und Dünndarm betreffen vorkommen.

Anamnestisch treten die klinischen Symptome zu Beginn oft nur sporadisch auf, verschlimmern sich aber meistens zu persistierenden Erkrankungen. Die klinische Untersuchung ist zumeist unauffällig, wobei Patienten mit hochgradigen Erkrankungen und mit zusätzlichen anderen Problemen deutlich abgemagert sein können. Eine rektale Untersuchung sollte bei jedem Patenten durchgeführt werden, wobei eine unregelmässige Mukosa, Schmerzen und frisches Blut oder Schleim auf dem Untersuchungshandschuh gefunden werden können. Zudem können bei einer rektalen Untersuchung Hinweise auf rektale Polypen oder bösartige Tumoren gefunden werden, welche eine Kolitis vortäuschen können.

Diagnostischer Plan

Die diagnostische Aufarbeitung sollte v.a. bei chronischen Fällen systematisch und gründlich sein und Biopsien beinhalten. Andere Erkrankungen, welche eine chronische Kolitis imitieren können, sollten ausgeschlossen werden. Mehrere Kotproben (3x nativ, 3x Zinksulfat) gehören dazu, da speziell T. vulpis (Hund; Flotation) und T. foetus (Katzen; Ausstrich, In Pouch Kultur, PCR) häufig Dickdarmdurchfall auslösen. Eine rektale Zytologie (mit Handschuh, nassem Wattestäbchen oder Spatel) kann ebenfalls hilfreich sein, da epitheliale Zellen sehr leicht exfolieren. Ein Normalbefund beinhaltet epitheliale Zellen, eine Mischkultur von Bakterien und Hefen und Zelldetritus, wohingegen Entzündungszellen, neoplastische Zellen, bestimmte Pilze (z.B. H. capsulatum) oder eine grössere Menge von Endosporen Hinweise auf die Ursache geben können. Bei Endosporen und dem Verdacht auf eine Clostridienkolitis sollte eine Kultur mit anschliessendem Nachweis von C. perfringens Enterotoxinen A und B mit ELISA oder PCR durchgeführt werden.

Fütterungsversuche sind manchmal sinnvoll bevor weitere Untersuchungen wie eine Kolonoskopie gemacht werden. Hochverdauliche Futter wie i/d (Hill's), Intestinal (Royal Canin), EN (Purina) oder Low Residue (Eukanuba) +/- lösliche Fasern (z.B. Psyllium) für mindestens 4-6 Wochen sind dabei eine gute Wahl. Psyllium (Metamucil, 1.33 g/kg/Tag) führte zu einer Verbesserung bei 85% der Hunde mit chronisch-idiopathischem Dickdarmdurchfall. Lösliche Fasern binden Wasser und verbessern so die Kotkonsistenz, stabilisieren die Motilität und verändern den bakteriellen Stoffwechsel im Kolon. Bei Verdacht auf Futtermittelunverträglichkeit und IBD empfiehlt sich ein Fütterungsversuch mit einer neuen Proteinquelle oder einer hydrolisierten Diät, da die meisten Hunde mit Futtermittel-responsivem Durchfall (FRD) auch Kolonprobleme zeigen.9,10Weitere Untersuchungen sind angezeigt falls die Symptome weiterhin bestehen. Blutbild, Blutchemie sowie Harnuntersuchung sind zumeist normal. Bei Katzen sind FeLV/FIV-Teste sowie ein T4 in der entsprechenden Altersgruppe sinnvoll. Abdomenröntgen sind zumeist unauffällig, können aber auch Hinweise auf intraluminale Einengungen infolge infiltrativer Prozesse geben (v.a. Lymphome bei Katzen und pathologische Strikturen beim Hund). Veränderungen der Darmschichtung sowie infiltrative Prozesse können aber viel besser mit einem Abdomenultraschall festgestellt werden. Die Kolonoskopie schlussendlich ermöglicht eine genaue visuelle Inspektion der Schleimhaut und gezielte Biopsieentnahmen. Hierbei ist eine gute Vorbereitung inkl. Abführen sehr wichtig, damit kleine und unscheinbare Veränderungen nicht durch Kotpartikel abgedeckt werden. Mehrere Biopsien von Caecum sowie Kolon ascendens, transversum und descendens sollten auch bei makroskopisch unauffälliger Endoskopie entnommen werden. Probleme bestehen v.a. in der Unterscheidung von normal und milder Kolitis sowie hochgradiger IBD und gutausdifferenziertem Lymphom.

Therapie

In der Veterinärliteratur sind nur sehr wenige Therapien für chronische Kolitis dokumentiert. Die meisten Protokolle beinhalten eine Kombination von Futter und Medikamenten, wobei die Wahl häufig vom Kliniker abhängt. Die meisten Medikamente sollten 2-4 Wochen über das Verschwinden der Symptome beibehalten werden bevor die Medikamente reduziert werden. Unabhängig von der klinischen Verbesserung zeigen die meisten Hunde mit IBD und FRD keine signifikanten Veränderungen in der Histologie.9,10 Wegen der intermittierenden Ausscheidung von Eiern bei Peitschenwürmern ist eine Entwurmung selbst bei negativen Kotuntersuchungen angezeigt (z.B. Fenbendazol 50 mg/kg po q24h für 3 Tage).

Futtermittel

Hochverdaulich +/- psyllium

Neue proteinquelle, hydrolisierte diät

Entzündungshemmend

Sulfasalazin

20-30 mg/kg PO q8h (Hd)
10-20 mg/kg PO q24h (Kz)

Olsalazin, Mesalamin

10-20 mg/kg PO q8h (Hd)

Immunosuppressiv

Prednisolon

1-2 mg/kg PO q12h (Hd, Kz)
Reduktion nach Verbesserung

Budesonid

1-3 mg/kg PO q24h (Hd)
1 mg/kg PO q24h (Kz)

Cyclosporin

5 mg/kg PO q24h (Hd)

Chlorambucil

2 mg/kg PO q48h (Kz)

Azathioprin

2 mg/kg PO q24h (Hd)

Antimikrobiell

Metronidazol

10-20 mg/kg PO q12h (Hd, Kz)

Tylosin

10-40 mg/kg PO q12h (Hd, Kz)

Enrofloxacin

5-10 mg/kg PO q24h (Hd mit HUC)

References

1.  Parnell NK. 2009; Kirk's Current Veterinary Therapy XIV: 515.

2.  Hershberg RM, et al. Immunol Today 2000; 21:123.

3.  Isaacs KL, et al. Inflamm Bowel Dis 2005; 11(Suppl 1):S3.

4.  German AJ, et al. J Vet Intern Med 2003; 17:8.

5.  Day MJ, et al. J Comp Path 2008; 138:S1.

6.  Simpson KW, et al. Infect Immun 2006; 74:4778.

7.  Simpson KW. 2009; Kirk's Current Veterinary Therapy XIV: 521.

8.  Hostutler RA, et al. J Vet Intern Med 2004; 18:499.

9.  Burgener IA, et al. J Vet Intern Med 2008; 22:553.

10. Allenspach K, et al. J Vet Intern Med 2007; 21:700.

 

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