Hautveränderungen und Ihr Verteilungsmuster bei der Katze: Was Man Wissen Sollte
World Small Animal Veterinary Association World Congress Proceedings, 2010
Claude Favrot, Dr.med.vet., Dr.Habil., DECVD, MsSc
Zurich, Switzerland

Lesen Sie die englische Übersetzung: Skin Lesions and Their Distribution in the Cat: Lessons to Be Drawn

Lesen Sie die französische Übersetzung: Les Lésions Cutanées et Leur Distribution Chez le Chat: Leçons à Tirer

Einleitung

Die Semiologie der Haut basiert vorwiegend auf der Vorgeschichte und Beobachtung von hauptsächlich primären Hautläsionen. Bei der Katze verhält es sich etwas anders und komplexer auf Grund ihrer Eigenarten und der Lebensweise. Viele Besitzer zum Beispiel, sind nicht in der Lage einzuschätzen, ob ihr Tier Juckreiz hat oder nicht und die meisten von ihnen wissen nicht, was die Katze so treibt, wenn sie draussen ist. Zusätzlich lecken die meisten Katzen an den Hautveränderungen, was zu einer sofortigen Zerstörung der Primärläsionen führt. Diese Reaktionsmuster (Kombination von klinischen Anzeichen oder Merkmalen) sind bei dieser Spezies sehr oft zu beobachten: Sie können leider von diversen Ursachen herrühren und sind nie pathognomonisch! Aus diesem Grund basiert die Aufarbeitung von Katzen mit Hautveränderungen normalerweise auf dem Verteilungsmuster der Veränderungen: Genau genommen ist die Lokalisation der Veränderungen wichtiger als die Läsionen selbst!

Primäre Läsionen? Welche??

Katzen mit Hautproblemen werden normalerweise mit einer oder mehrerer der folgenden klinischen Symptome vorgestellt: Alopezie, Krusten, Exkoriationen und Erosionen. Da der vorwiegende Teil der Alopezien tatsächlich selbst-induziert sind, können sie nicht als eine primäre Läsion betrachtet werden: Genau genommen sind alle oben erwähnten Veränderungen eine Folge des Pruritus, eine sehr weitgehende Differentialdiagnose!1

Die Beobachtung von echten Primärläsionen wie Pustel, Bullae oder Vesikel bei der Katze sind rar. Interessanterweise sind Pusteln bei dieser Spezies sehr spezifisch und werden in den meisten Fällen im Zusammenhang mit einem Pemphigus foliaceus beobachtet.2

Der Begriff miliare Dermatitis bezieht sich auf das Vorhandensein von zahlreichen kleinen, krustigen Papeln, die normalerweise den Rumpf befallen, manchmal aber auch weiter verstreut sein können.1 Diese sehr typischen Läsionen sollten als ein Reaktionsmuster angesehen werden. Genau genommen ist dieses Muster, wenngleich es häufig mit Flöhen assoziiert ist, bei Katzen auch manchmal mit Hypersensitivität, Ektoparasiten (Cheyletiellose, Demodikose) oder Dermatophyten sichtbar.3-5 Nach der Erkennung dieses Musters sollte man folglich nach Parasiten und Pilzen Ausschau halten und eine angemessene Flohkontrolle durchführen. Nach Ausschluss dieser Erkrankungen sollte mit einer Allergieabklärung begonnen werden.

Wegen ihrer typischen Lokalisation oder Morphologie ist die Diagnose eosinophile Dermatitis normalerweise einfach (siehe unten). Ventrale eosinophile Plaques stimmen damit überein: Diese zeigen erhabene, nässende, rötliche, manchmal ziemlich grosse und verschmelzende Läsionen am Abdomen.1 Zu den Hauptdifferentialdiagnosen gehören Hauttumore wie kutanes Lymphom, Mastzelltumor oder Metastasen von Mammatumoren.3-5 Folglich sollte man zuerst letztere Hypothesen mit Hilfe einer zytologischen und histologischen Untersuchung ausschliessen. Vor dem Beginn einer Allergieabklärung ist eine Behandlung mit Antibiotika normalerweise notwendig, da einige dieser Läsionen auf diese Behandlung ansprechen. Eine Allergieabklärung ist nicht immer eindeutig und in manchen Fällen bleibt nur idiopathisch übrig: in solchen Fällen ist eine symptomatische Behandlung mit Glukokortikoiden oder Cyclosporin A indiziert.

Wenn die Lokalisation auf die Diagnose Hindeutet...

Wie oben erwähnt verrät die Lokalisation der Veränderungen oft den Hintergrund dieser Läsionen bei der Katze. Ein gutes Beispiel dazu sind die so genannten eosinophilen Ulzera, die immer an der Oberlippe auftreten in der Nähe des Philtrum und sich normalerweise als tiefe, aber schmerzlose Ulzerationen darstellen.1 Obgleich diese Veränderung sehr typisch ist, sollte man ein Plattenepithelkarzinom, sowie bakterielle oder fungale Granulome ausschliessen. Nach Bestätigung der Diagnose sollten alle Ursachen für eine Hypersensitivität abgeklärt werden (Flöhe, Futter, Umwelt), obwohl die Futtermittelintoleranz die Hauptursache dafür darstellt. Ein anderes Beispiel ist das lineare Granulom (gehört auch zum eosinophilen Komplex), das als eine feste, vertikale Veränderung an der Aussenseite der Oberschenkel auftritt. Solche Läsionen sind fast immer mit einer Hypersensitivitätsreaktion assoziiert.

Flanken und Abdomen sind oftmals von der so genannten selbst-induzierten, symmetrischen Alopezie betroffen. Bei diesen Läsionen handelt es sich um keine Alopezie sensu stricto, da sie durch Lecken verursacht werden und aus abgebrochenen Haaren bestehen. Es ist wichtig hier zu erwähnen, dass nicht alle Besitzer diese Veränderungen als Folge des krankhaften Leckens erkennen können: es ist somit immer zwingend notwendig die klinische Untersuchung einer Katze mit Alopezie mit einer Untersuchung der Haarspitzen zu beginnen. Abgebrochene Haarspitzen sollten als Folge von Juckreiz interpretiert werden und der Praktiker sollte umgehend mit Hilfe einer sorgfältigen Aufarbeitung der Reihe nach Ektoparasiten, Pilze und Hypersensitivitätsreaktionen ausschliessen können. In einigen seltenen Fällen sieht man solche Veränderungen im Zusammenhang mit einer psychischen Erkrankung.4-7

Nicht selten ist bei Katzen auch das Kinn betroffen, wobei zwei Hauptätologien für diese Veränderungen verantwortlich sind. Ein geschwollenes und erythematöses Kinn entspricht oft der Diagnose "fat chin", welche auch zu den eosinophilen Dermatitiden gehört, obwohl Komedone, nässende Stellen und Krusten ein Kennzeichen der so genannten felinen Akne sind.

Nicht traumatische Krallenbettveränderungen sieht man bei Katzen selten. Wenn mehrere Zehen betroffen sind sollte man an eine bakterielle oder eine Pilzinfektion denken, obwohl zwei andere Hypothesen zuerst ausgeschlossen werden sollten: Pemphigus foliaceus ist die häufigste Ursache für eitrige Veränderungen an dieser Lokalisation und ist oft assoziiert mit Läsionen im Gesicht, an den Pinnae und um die Zitzen. Schlussendlich sieht man auch manchmal Metastasen von Bronchialkarzinomen an den Zehen, die sich als geschwollene und sehr schmerzhafte Krallenbette manifestieren. In solchen Fällen sollten Röntgenaufnahmen durchgeführt werden, um das Vorhandensein des Primärtumors in der Lunge zu bestätigen.2,8

Kopf und Hals: Heikle Lokalisationen!

Kopf und/oder Hals sind bei Katzen mit Hautproblemen oft betroffen. Leider fehlen praktisch immer die Primärläsionen. Veränderungen an diesen Lokalisationen sollten umgehend sorgfältig und systematisch aufgearbeitet werden, da zahlreiche Erkrankungen Veränderungen in diesen Körperregionen verursachen können. Diese bedürfen sehr unterschiedlichen Behandlungen.

Obwohl Hypersensitivitätsreaktionen (Flöhe, Futter, Umwelt) die Hauptursache für Hautveränderungen an diesen Lokalisationen darstellen, kann eine solche Diagnose nur gemacht werden, wenn alle anderen Differentialdiagnosen ausgeschlossen wurden.

Man sollte ausserdem nicht ausser Acht lassen, dass eine der Hauptdifferentialdiagnosen die viralen Dermatosen (Herpes, Calici, Pocken, FeLV) sind und dass eine Behandlung von erkrankten Katzen mit Glukokortikoiden oder Immunmodulatoren in solchen Fällen fatal sein kann! Man sollte somit sorgfältig aus der Vorgeschichte und der klinischen Untersuchung Informationen erfassen, die auf eine virale Erkrankung hindeuten, bevor diese Hypothesen ausgeschlossen werden. Eine Vorgeschichte von Niesen und/oder Konjunktivitis könnte auf Herpes--oder Caliciviren hindeuten und bei solchen Katzen sollte eine PCR durchgeführt werden. Auf der anderen Seite leben Outdoor-Katzen in engem Kontakt zu Wiederkäuern, die mit Kuhpocken infiziert sein könnten. In einigen Fällen sollte auch eine FeLV Serologie durchgeführt werden.

Ektoparasiten stellen auch oftmals einen Grund für Läsionen im Gesicht dar. Demodex (bei Katzen oft unterdiagnostiziert), Otodectes (könne auch Veränderungen ausserhalb des Ohrkanals verursachen) und Notoedres sollten in Betracht gezogen werden. Microsporum und Trichophyton (Dermatophyten) lösen nicht selten Hautveränderungen im Gesicht (und an den Füssen) aus. Eine Pilzkultur ist zwingend notwendig, vor allem bei Outdoor-Katzen oder Tieren, die in der Nähe von Katzenheimen leben.

Hauttumore treten nicht selten im Gesicht von älteren Katzen auf. Man sollte an das bowenoide Karzinoma in situ und an Plattenepithelkarzinome denken. Schlussendlich erscheinen autoimmun bedingte Erkrankungen wie Pemphigus oder Lupus oft in diesem Gebiet.

Eine sorgfältige und systematische Aufarbeitung ist obligatorisch, wenn Gesicht und/oder Hals betroffen sind. Mit mehreren Hautgeschabseln sollte man beginnen, um Ektoparasiten auszuschliessen und eine Untersuchung auf Pilze (Trichogramme, Wood'sche Lampe, Pilzkultur) sollte durchgeführt werden. Wie bereits erwähnt sollte bei Verdacht auf virale Erkrankungen eine PCR durchgeführt werden. Bei älteren oder weissen Katzen sollten Hautbiopsien für eine histologische Untersuchung durchgeführt werden, um Hauttumore auszuschliessen.

Histologische Untersuchungen werden auch empfohlen, wenn autoimmun bedingten Erkrankungen auf der Differentialdiagnosenliste stehen, obwohl eine zytologische Untersuchung das bessere diagnostische Mittel für die Diagnose eines Pemphigus foliaceus ist. Sobald all diese Ursachen ausgeschlossen wurden, sollte man mit einer Allergieabklärung beginnen. Eine adäquate Flohkontrolle muss durchgeführt werden, um einen Flohbefall oder eine Hypersensitivität auszuschliessen. Auch eine Eliminationsdiät ist hilfreich, um die Rolle des Futters bei der Entstehung der Erkrankung zu eruieren. In einigen Fällen kann ein Intradermaltest oder eine Serologie zur Identifizierung der verursachenden Umweltallergene hilfreich sein.

Die Katze ist Kein Kleiner Hund...

In der Dermatologie sollte man es vermeiden, die Katze als einen kleinen Hund zu sehen. Die Verteilung der Veränderungen ist der Hauptanhaltspunkt bei der Diagnose von Hautveränderungen bei dieser Spezies. Man sollte versuchen die Hauptreaktionsmuster zu identifizieren und sich alle diagnostischen Hypothesen, die normalerweise mit diesem Muster assoziiert sind zu überlegen.

References

1.  Scott DW, Miller WH, Griffin CE. Diagnostic methods. In: Scott DW, Miller WH, Griffin CE, eds. Muller and Kirk's Small Animal Dermatology. 6th ed. Philadelphia: W.B. Saunders C.; 2001:71-206.

2.  Olivry T. A review of autoimmune skin diseases in domestic animals: I--superficial pemphigus. Vet Dermatol. Oct 2006;17(5):291-305.

3.  Scott DW, Miller WH, Griffin CE. Chapter 8. Skin immune system and allergic skin diseases. In: Scott DW, Miller WH, Griffin CE, eds. Muller and Kirk's Small Animal Dermatology. 6th ed. Philadelphia: W.B. Saunders Co.; 2001:543-666.

4.  Prost C. Diagnosis of feline allergic diseases: a study of 90 cats. In: Von Tscharner C, Kwochka KW, Willemse T, eds. Advances in Veterinary Dermatology, Volume 3. Oxford: Blackwell Sciences; 1998:516-517.

5.  Rossje PJ, Thepen T, Rutten VPMG, Willemse T. Feline atopic dermatitis. In: Thoday KL, Foil CS, Bond R, eds. Advances in Veterinary Dermatology, Volume 4. Oxford: Blackwell Sciences; 2002:178-187.

6.  Sawyer LS, Moon-Fanelli AA, Dodman NH. Psychogenic alopecia in cats: 11 cases (1993-1996). J Am Vet Med Assoc. Jan 1 1999;214(1):71-74.

7.  Waisglass SE, Landsberg GM, Yager JA, Hall JA. Underlying medical conditions in cats with presumptive psychogenic alopecia. J Am Vet Med Assoc. Jun 1 2006;228(11):1705-1709.

8.  Estrada M, Lagadic M. Métastases digitales d'un carcinome pulmonaire asymptomatique chez le chat: Etude d'une série de 11 cas. Prat Med Chir Anim Cie. 1992;27(6):791-795.

 

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