Intraoperative Entscheidungen beim Hund mit Magendrehung
World Small Animal Veterinary Association World Congress Proceedings, 2010
David Spreng, Dr.med.vet., DECVS, ACVECC
Bern, Switzerland

Lesen Sie die englische Übersetzung: Intraoperative Decisions in the GDV Dog

Lesen Sie die französische Übersetzung: Décisions Intra-Opératoires Lors d'une Torsion d'Estomac chez le Chien

Chirurgische Präparation des Operationsfeldes, des ventralen Thorax und der Inguinalregion

Eine standardmässige Vorbereitung und aseptische Präparation des Abdomens vom Xyphoid bis hinter das os pubis sollte durchgeführt werden. In der Annahme, dass die Rasur die Vorbereitungszeit nicht massiv verlängert, sollte ein grosses chirurgisches Feld vorbereitet werden. Dies wird insbesondre wichtig, wenn intraoperativ der Entscheid gefällt werden muss, dass eine Jejunostomiesonde oder eine Gastrostomiesonde gelegt werden muss. Eine Rasur im Genitalbereich wird bei Tieren, welche Probleme haben Harn und Kot kontrolliert abzusetzen -was nach einer Magendrehungsoperation nicht ungewöhnlich ist, in der postoperativen Phase ebenfalls hilfreich sein.

Die Lagerung des Patienten ist während der Vorbereitungszeit wesentlich. Eine falsche Lagerung kann unter gewissen Umständen für das Tier lebensgefährlich werden. Die Standardlagerung für eine abdominale Vorbereitung ist die dorsale Lage. Diese Lagerung kann bei einem Hund mit Magendilation eine wesentliche Kompression der intrabdominalen vena cava herbeiführen. Entsprechend besteht die Möglichkeit eines verminderten venösen Rückflusses und dadurch einer Verschlimmerung des Schockzustandes. Bei instabilen Patienten sollte man deshalb auf diese Standardlagerung verzichten und eine seitliche Position wählen, um den Druck auf die v. cava zu vermindern. Kurz vor der Operation können die Tier in die dorsale Position verbracht und die Vorbereitungen abgeschlossen werden. Ein rascher operativer Zugang zur Dekompression der v. cava ist bei instabilen Patienten indiziert.

Narkoseinduktion, Intubation, assistierte/kontrollierte Ventilation- Intraoperative überwachung mit EKG, Blutdruck, ETCO2, SPO2, Blutgase und HK/TP

Um eine sofortige Kontrolle der Atemwege zu erhalten ist eine rasche intravenöse Narkoseinduktion erwünscht. Viele Narkoseprotokolle sind für Torsio ventriculi Patienten beschrieben worden. Wesentlich ist, dass möglichst wenig kreislaufbelastende Medikamente verwendet werden.

Das folgende Protokoll wurde aus der Abteilung für Anästhesie der Vetsuisse Fakultät Bern adaptiert: (Dank an Dr. Shannon Axiak und Dr. Helene Rohrbach)

Präoperative Checkliste

 Cave Regurgitation, Absauge vorbereiten

 EKG und Blutdruck messen

 Zwei IV Katheter, grosse chirurgische Vorbereitung

 Präoxygenierung 5-10 min (Wichtig weil O2 Verbrauch erhöht--Hypoxämie entsteht schneller)

 Flüssigkeitstherapie vor Induktion

 Dopamin und andere Notfallmedikamente vorbereiten

Prämedikation

 Fentanyl 1-5 mcg/kg langsam IV (cave Bradykardie)

 Lidokain 1.5 mg/kg IV über 15 min (kann auch nach der Induktion gestartet werden

Narkoseinduktion

 Ketamin 5 mg/kg IV

 Diazepam 0.25 mg/kg IV

Unterhalt

 Isofluran in Sauerstoff

Intraoperative Analgesie

 Lidokain 30 mcg/kg/min

 Fentanyl 5-10 mcg/kg/h

Intraoperative Flüssigkeitstherapie

 Plasmalyte 10 ml/kg/hr (Startmenge)

 Voluven 1 ml/kg/hr (Startmenge)

 Menge je nach Zielwert für normale Herzfrequenz, Blutdruck und kapilläre Füllungszeit

Monitoring

 EKG, SpO2, BD, ETCO2, +/- artBD, +/- CVP, +/- Harnproduktion

Postanästhetische Sedation

 Medetomidin 1-2 mcg/kg IV, falls nötig

Postoperative Analgesie

 Lidokain 15 mcg/kg/min

 Fentanyl 2.5-5 mcg/kg/hr

 +/- Carprofen 2-4 mg/kg IV (Kontraindikation: Hypotension, Azotämie, GI Läsionen, Gerinnungsprobleme)

Mögliche Komplikationen

 Hypotension

 Verminderung Isofluran, sofern möglich

 Flüssigkeitsbolus 10-20 ml/kg IV

 Voluven Bolus 5-10 ml/kg

 Dopamine 5-10 mcg/kg/min IV

 Ephedrine 0.1 mg/kg IV

 Arrhythmien Extrasystolen, ventrikuläre Tachykardie

 Kontrolle Elektrolyte

 Behandle wenn multifokal oder HF > 180 bpm

 Lidokain bis 50-70 mcg/kg/min (cave Bradykardie!)

 Ev Mexiletin

 Regurgitation

 Hypoventilation

Notfallmedikamente

 Dopamin für Hypotension 5-10 mcg/kg/min IV

 Glycopyrrolate für Bradykardie 0.01 mg/kg IV

 Adrenalin bei Herzstillstand 0.01 mg/kg IV

Die intraoperative überwachung beinhaltet ein EKG für die Erkennung von Arrhythmien. Blutdruckmessungen sind wesentlich, insbesondre wenn der Magen intraoperativ total entleert wird und der Druck der v.cava plötzlich nachlässt. Eine akute Verminderung der Herzvorlast kann zu einer signifikanten Blutdrucksenkung führen. Zusätzlich haben viele Narkotika einen negativen Einfluss auf den Blutdruck (Iso/Sevofluran) oder können Arrhythmien potenzieren (Halothan). Die Messung der endexpiratorischen CO2 Konzentration erlaubt eine Aussage über die Ventilationsfähigkeit des Patienten. Die Pulsoxymetrie erlaubt eine Trendanalyse betreffend Änderungen in der Sauerstoffsättigung des Hämoglobins.

Die arterielle Blutgasuntersuchung bestätigt die Messungen der nicht-invasiven Monitoring-Geräte und ergibt Informationen über den pH des Hundes. Der Hämatokrit (HK) und das Totalprotein sind wesentlich zur Erkennung ob ein Patient Blutprodukte, inklusive Plasma, benötigt. Ein HK < 25% (Hb < 8 g/dL) entspricht einem Mangel an Sauerstofftransportkapazität und ist eine Indikation für ein Transfusion. Ein TP von <3.5 g/dL ist vereinbar mit einem Mangel an Albumin und andern Proteinen und ist eine Indikation für die Gabe von Plasma.

Der chirurgische Zugang, Dekompression gefolgt von Derotation

Eine lange Inzision vom Xyphoid bis über den Umbilikus wird durchgeführt. Das Abdomen wird mit äusserster Vorsicht eröffnet um den dilatierten, unmittelbar unter der Bauchwand liegenden Magen nicht zu verletzen. Normalerweise wird direkt nach dem Eröffnen der linea alba der von Omentum überlagerte dilatierte Magen sichtbar. Andere Strukturen sind häufig nicht sichtbar weil der dilatierte Magen die Sicht versperrt. Als erstes muss der Magen dekomprimiert und derotiert werden. Die Evaluation der Perfusion und der Viabilität der Gewebe folgt als nächster Schritt. Die Gastropexie und eine genaue abdominale Inspektion sind die abschliessenden Schritte in der Operation.

Ein Versuch einen dilatierten Magen zu derotieren kann sehr gefährlich werden. Das Risiko einer Gefässruptur, insbesondere einer Milzruptur, ist hoch. Nachdem das Abdomen eröffnet wurde, kann mittels einer 20 G Nadel, welche an eine chirurgische Absauge angeschlossen ist, durch eine wenig vaskularisierte Region der Magen punktiert werden. Die Dilatation kann dadurch in einem Masse verkleinert werden, dass eine sichere Derotation oder das Legen einer oralen Magensonde möglich wird. Mit der Magensonde kann anschliessend der Rest des Mageninhaltes entfernt werden.

Die Derotation des nicht mehr dilatierten Magens erfolgt folgendermassen. Der Chirurg steht auf der rechten Seite des Hundes und drückt mit der Faust der linken Hand den Fundus nach dorsal (in Richtung des OP-Tisches) und zieht den Pylorus mit der rechten Hand aus der linken ventralen Lage in Richtung der Mittellinie auf die rechte Seite. Mit dieser Reihenfolge und Technik ist es in den allermeisten Fällen nicht notwendig eine Gastrotomie durchzuführen um Mageninhalt zu entfernen. Ein Gastrotomie wird nötig falls der Mageninhalt verklumpt ist und sich nicht über die Magensonde entfernen lässt.

Hämostase, Dekompression, Evaluation und Therapie von Magenwandproblemen

Die Erkennung einer potentiell gefährlichen Blutung ist der nächste Schritt in der Chirurgie. Die Dekompression des Magens ist notwendig um den Fundus und die Milzgefässe auf ihre Integrität prüfen zu können. Wenn eine Gefässruptur dargestellt werden kann, soll diese sofort kontrolliert bzw ligiert werden. Im Falle eines Milzrisses kann eine partielle oder totale Splenektomie notwendig werden. In unserem Spital werden vermehrt postoperative Komplikationen bei partiellen Splenektomien erkannt. Entsprechend wird eine totale Splenektomie einer partiellen Resektion vorgezogen.

Die Kontrolle der Magenwandintegrität ist der nächste Schritt der Operation. Um die Kontamination des Abdomens möglichst gering zu halten sollten Perforationen rasch nach der Derotation des Magens unter Kontrolle gebracht werden. Perforationen werden normalerweise im Fundusbereich lokalisiert. Dieser Bereich sollte deshalb schon vor der totalen Entleerung des Magens inspiziert werden. Magenperforation bei der Magendrehung steht meistens im Zusammenhang mit einer ungenügenden Durchblutung des Magens. Nach der Dekompression und Derotation wird die Magenwand normalerweise wieder eine rosa Färbung annehmen. Einige Gebiete (insbesondere wieder im Fundus) können aber grau oder schwarz bleiben. Diese Farben sind eine Indikation auf eine wesentliche Veränderung in der Magenwand. Deshalb ist es indiziert, 15-20 min nach der Derotation die Farbe der Magenwand neu zu evaluieren und erst dann einen Entscheid für eine partielle Magenwandresektion zu treffen. Während dieser Zeit kann sich die Magenwandfarbe verändern und die Demarkationslinie zwischen viablen und toten Strukturen besser erkannt werden.

Nach der Derotation, der Kontrolle von grossen Blutungen und der Evaluation der Integrität der Magenwand kann mittels einer oralen grossen Magensonde der Magen entleert und total dekomprimiert werden. Der Magen muss nicht unbedingt total entleert sein. Die Magensonde kann mit einer chirurgischen Absauge verbunden werden. Dieses Manöver ist nicht ohne Risiko. Die Magensonde muss durch den Chirurgen in der Mitte des Magens gehalten werden damit nicht Magenwand durch die starke Saugkraft angesaugt und verletzt wird. Sofortige Entkoppelung der Sonde von der Absauganlage löst das Problem. Um stark verklumpten Mageninhalt zu entfernen, ist manchmal eine Gastrotomie notwendig. Die Inzisionslinie sollte im makroskopisch gesunden Gewebe des Magens durchgeführt werden. Eine Kontamination des Abdomens mit Mageninhalt kann vermindert werden wenn Haltefäden und eine Abdeckung des Abdomens mit Bauchtüchern oder Tupfern durchgeführt wird. Der Magen wird zweischichtig mit einem absorbierbaren Faden verschlossen (zb Polydiaxonon, PDS 3.0). Die erste Schicht enthält die Submukosa und die Muskularis und wird mittels einer fortlaufenden appositionellen Technik verschlossen. Die zweite Schicht enthält die Muscularis und die Serosa und wird mittels einer einstülpenden Technik verschlossen.

Eine Gastrotomie solle nach Möglichkeit vermieden werden. Neben dem Risiko einer abdominalen Kontamination, kann die Heilung der Magenwand verlangsamt sein und dadurch die Gefahr einer Nahtdehiszenz erhöht werden.

Theoretisch kann die Viabilität der Magenwand mittels Pulsoxymetrie, Doppler Blutfluss und Fluoreszein Färbungen evaluiert werden. Diese Tests erfassen die Vasuklarität aber nicht die mukosale Integrität der Magenwand, während der Chirurgie mittels visueller Inspektion und der Palpation die Magenwandstruktur standardmässig evaluieren kann. Die Evaluation der Farbe muss vorsichtig interpretiert werden. Auf der Serosaseite des Magens kann eine schwarze, graue, weisse, blaue oder rote Farbe erkannt werden. Wenn die serosale Farbe nach der Derotation und Dekompression dunkel bleibt muss eine partielle Magenresektion überdacht werden. Wenn kleine Einschnitte in die Muskularis dieser Region nicht bluten, sollte man definitiv eine Resektion in Erwägung ziehen. Im Gegensatz dazu ist die mukosale Farbe in der Entscheidung zur partiellen Resektion nicht hilfreich. Es ist nicht selten der Fall, dass bei einer Gastrotomie schwarze mukosale Regionen aufgefunden werden. Diese stehen nicht in Korrelation mit möglichen Magenrupturen. Sie sind jedoch ein Hinweis auf die Entstehung einer Ulzeration und sollten mit entsprechenden Magenschutzmitteln behandelt werden.

Die Milz ist bei torsio ventriculi Patienten häufig gestaut. Eine Thrombose der Milzgefässe und Abrisse der Mizgefässe kann zu Milznekrosen führen, die mittels Splenektomie behandelt werden müssen. Milztorsionen sind in der Literatur im Zusammenhang mit Magendrehungen beschrieben. Derotation sollte nicht versucht werden wenn schon Zeichen eine Milznekrose vorhanden sind.

Abdominale Inspektion und Gastropexie

Nach der Kontrolle der Viabilität des Magens sollte eine Routineinspektion des Abdomens durchgeführt werden. Anschliessend wird eine permanente Gastropexie als Abschluss der Chirurgie durchgeführt. Es sind viele verschiedene Techniken beschrieben, welche eine permanente Adhäsion zwischen dem Magen und der Abdominalwand produzieren. In der letzten Zeit sind insbesondere minimal invasive Techniken beschrieben worden. Diese Techniken sind nur indiziert als elektive Operation zur Prävention von Magendrehungen. Während normalen Magendrehungsoperationen ist eine der einfacheren und schnelleren Techniken die inzisionale Gastropexie des Antrums zur rechen Abdominalwand. Eine 5 cm lange Inzision wird durch die Serosa des Magens bis in die Muskularis über die parietale Oberfläche in der Mitte/parallel zur langen und kurzen Kurvatur des Magens gelegt. Die Inzision soll nicht im Pylorus liegen. Eine zweite Inzision im Peritonäum der rechten Abdominalwand, welche bis in die interne Faszie des Rectus Abdominis Muskels oder des Transversus Abdominis Muskels führt, wird parallel zur Inzision in die Magenwand gelegt. Die kranialen respektive kaudalen Schnittränder der Inzisionen werden mittels PDS Nr1 in einer fortlaufenden Naht adaptiert. Als Alternative wird in unserem Spital eine "Linea alba" Gastropexie durchgeführt. Mit dieser Technik wird das Antrum pyloricum auf eine Länge von 5 cm in den Abdominalwandverschluss integriert. Diese Technik führt auch zu einer permanenten Adhäsion ähnlich der inzisionalen Technik. Es besteht potentiell die Möglichkeit dass eine Magenperforation entsteht, falls beim Patienten eine Relaparatomie durchgeführt wird und der Operateur die Gastropexie nicht beachtet. Der Autor benutzt die Technik nur in extrem instabilen Patienten da sie etwas kürzer dauert als die klassische inzisionale Technik.

Muss eine Ernährungsonde gelegt werden ?

Eine Jejunostomiesonde oder eine Gastrojeunostomiesonde kann bei Magenresektionen oder Pankreastrauma indiziert sein. Technisch richtig durchgeführt, können Ernährungssonden sehr rasch zur Fütterung von kritisch kranken Tieren verwendet werden. Die Fütterung kann durch den Hundebesitzer selber durchgeführt werden, was die Hospitalisationszeit verkürzen kann. Die Kosten einer parenteralen Ernährung können reduziert werden. Zur Zeit werden Gastrojejunostomiesonden den reinen Jejunostomiesonden vorgezogen. Sie erlauben mit der richtigen Technik eine Fütterung ins Jejunum, eine Dekompression des Magens und eine permanente Gastropexie.

In unserem Patientengut sind Ernährungssonden sehr selten notwendig. Für eine kurzfristige Ernährung kann ein parenteraler Ernährungsweg gewählt werden.

Lavage und Routineverschluss

Eine ausführliche Lavage des Abdomens sollte durchgeführt werden, insbesondere wenn eine Gastrotomie durchgeführt wurde. Ein Routine-Verschluss in 3 Schichten sollte durchgeführt werden und die Hautnaht sowie mögliche Austrittsstellen von Sonden mittels einem leichten Pflaster geschützt werden.

 

Speaker Information
(click the speaker's name to view other papers and abstracts submitted by this speaker)

David Spreng, Dr. med. vet., DECVS, DACVECC
Bern, Switzerland


SAID=27