Gelenkserkrankungen bei der Katze
World Small Animal Veterinary Association World Congress Proceedings, 2010
Katja Voss, Dr. med. vet., DECVS
Sydney, NSW, Australia

Lesen Sie die englische Übersetzung: Joint Diseases in Cats - What Do We Know?

Einleitung

Gelenkerkrankungen werden bei Katzen im Vergleich zum Hund selten diagnostiziert. Die meisten Katzen die mit Problemen des Bewegungsapparates vorgestellt werden haben ein Trauma erlitten. Entsprechend wenig ist deswegen über Inzidenz, Risikofaktoren und klinische Signifikanz von Gelenkerkrankungen bei der Katze bekannt. Der folgende Text ist eine übersicht über Gelenkerkrankungen bei der Katze, an die bei der Untersuchung einer lahmen Katze gedacht werden sollte.

Osteoarthrose

Obwohl Osteoarthrose (OA) bei Katzen eher selten als Lahmheitsursache diagnostiziert wird, wurde in der Literatur vor allem bei älteren Katzen eine erstaunlich hohe radiologische Prävalenz von OA beschrieben. Bis 90% aller älteren Katzen haben OA1. Katzen zeigen in Zusammenhang mit OA häufig unspezifische Symptome, die nicht unbedingt mit muskuloskeletalen Schmerzen in Verbindung gebracht werden. Häufige Symptome sind Wesensveränderung, Inaktivität, Schwierigkeiten oder Unvermögen hoch zu springen, oder ein steifer Gang2. Degenerative Veränderungen werden am häufigsten in der Wirbelsäule gefunden, gefolgt vom Ellbogengelenk und vom Hüftgelenk1. Gonarthrose kommt auch relativ häufig vor und ist in der Regel mit einer Ruptur des vorderen Kreuzbandes assoziiert.

Die Behandlung der OA erfolgt oft konservativ, mit Ausnahme von seltenen Fällen wo eine ursächliche Erkrankung chirurgisch behandelt werden kann. Die konservative Behandlung beinhaltet eine Adaptation des Umfelds, eine Gewichtsreduktion wo nötig und eine Schmerztherapie3. Die Gewichtsreduktion ist ein wichtiger Faktor, da übergewichtige Katzen häufiger an klinischen Symptomen leiden als normalgewichtige4. Meloxicam ist momentan der einzige nicht-steroidale Entzündungshemmer (NSAID) der bei Katzen für eine Langzeittherapie zugelassen ist5. Andere NSAIDs sollten nur mit äusserster Vorsicht verabreicht werden weil Katzen viele NSAIDs schlecht abbauen können und Toxizität auch mit Medikamenten und Dosierungen, die bei anderen Spezies als sicher gelten vorkommen kann. NSAIDs sind bei Vorhandensein von Hypovolämie, Dehydratation und Nierenerkrankungen kontraindiziert. Chondroprotektive Medikamente können wie beim Hund eingesetzt werden, obwohl ihre Wirksamkeit bei Katzen nicht bewiesen ist.

Polyarthritis

Eine Polyarthritis kann immunbedingt oder septisch (sehr selten) sein. Radiologisch werden Polyarthritiden in erosive und nicht-erosive Formen unterschieden. Katzen mit Polyarthritis sind in der Regel systemisch erkrankt, können eine erhöhte Körpertemperatur haben, und zeigen oft Bewegungsunlust, generalisierte Muskelhypothrophie, Gelenkschmerzen und Gelenkeffusionen. Die zytologische Untersuchung der Synovia ist der wichtigste Schritt um eine Polyarthritis zu diagnostizieren. Sie erlaubt eventuell auch eine Unterscheidung zwischen immunbedinger und septischer Polyarthritis. Bei beiden Formen findet sich eine erhöhte Neutrophilen-Anzahl in der Synovia. Bei septisch bedingten Arthritiden können auch, müssen aber nicht, degenerierte Neutrophile und intrazelluläre Bakterien gesehen werden.

Erosive Polyarthritis

Die septische und die feline chronisch progressive Polyarthritis (FCPP) werden als erosiv klassifiziert. Bei der FCPP werden zwei Formen unterschieden, die periosteale proliferative Form und die destructive Form6,7. Die periosteale proliferative Form ist häufiger und ist durch progressive Formation von periostealen Auflagerungen klassifiziert. Bei der selteneren destruktiven Form finden sich vor allem lytische Veränderungen. Die Karpal- und Tarsalgelenke sind am häufigsten betroffen. Katzen mit FCPP sind in der Regel jung-adulte bis mittelalte männliche Tiere6,7. Ein FeLV Test sollte durchgeführt werden da betroffene Katzen häufig FeLV positiv sind. Die Behandlung beginnt mit einer Prednisolon Therapie, wobei eine kontinuierliche Therapie oft notwendig ist, da es bei Absetzen des Medikamentes zu Rückfällen kommt. Bei Patienten die ungenügend auf das Prednisolon ansprechen, werden zytotoxische Medikamente, wie Cyclophosphamide oder Chlorambucil zugefügt. Nebenwirkungen von zytotoxischen Medikamenten sind bei Katzen häufig und potentiell fatal (eg Azathioprin).

Nicht-erosive Polyarthritis

Viele verschiedene Ursachen können eine nicht-erosive Polyarthritis verursachen. Immunebedingte nicht-erosive Polyarthritiden können durch systemische Erkrankungen, Infektionen und Neplasien auslösen werden8. Häufig kann allerdings keine Ursache gefunden werden und die Polyarthritis wird dann als idiopathisch klassifiziert. Die Behandlung und Prognose hängt von der Primärerkrankung ab.

Zusätzlich kommen bei Katzen impfungsassoziierte Polyarthritiden vor9. Diese treten meist bei jungen Katzen innerhalb der ersten Woche nach der Calicivirus Impfung auf. Sie sind selbstlimitierend und haben eine gute Prognose.

Polyarthritis wird auch in Zusammenhang mit einem systemischen Lupus erythematosus beschrieben8. Die Prognose ist hier vorsichtig.

Systemische Kongenitale Gelenkerkrankungen

Speichererkrankungen (Mucopolysaccharidose, Alpha-mannosidose) und die Osteochondrodysplasie der Scottish Fold Katzen sind selten vorkommende kongenitale generalisierte Gelenkerkrankungen. Speichererkrankungen verursachen eine Reihe von Fehlentwicklungen von Skelett, Gelenken, Gehirn, Augen und inneren Organen welche oft schon im frühen Alter auftreten.

Die Symptome der Osteochondrodysplasie der Scottisch Fold Katzen beruht auf einem defekten Knorpelmetabolismus welcher die Formation von Knorpel und das Knochenwachstum beeinflusst. Klinische Syptome sind eine Verkürzung von Knochen (vor allem Metatarsi, Metakarpi und Wirbel) und eine ankylosierende Polyarthropathie des Tarsus und Karpus.

Erkankungen Spezifischer Gelenke

Ellbogengelenk

Osteoarthrose im Ellbogengelenk ist zirka vier mal häufiger als OA in anderen Gelenken1,2. Ursächliche Erkrankungen sind bis anhin nicht eindeutig identifiziert worden. Andere Erkankungen des Ellbogengelenkes beinhalten synoviale Zysten, kongenitale Ellbogenluxation, und Epikondylitis des Ellbogens.

Synoviale Zysten sind selten und scheinen in Zusammenhang mit Ellbogenarthrose vorzukommen10. Die synovialen Zysten präsentieren sich als grosse, flüssigkeitsgefüllte Strukturen im Ellbogenbereich. Die Aspiration von Synovialflüssigkeit ist diagnostisch. Die Behandlung erfolgt über repetitive Evakuierung der Zysten mittels Nadelaspiration und konserativer Behandlung einer begleitenden OA10.

Kürzlich wurden Avulsionen und Kalzifikationen der am medialen Epikondylus des Ellbogens ansetzenden Sehnen der Flexorenmuskeln des Unterarms (Ellbogen Epikondylitis) als Lahmheitsursache diagnostiziert. Diese Veränderungen sind periartikulär und sollten nicht mit OA verwechselt werden obwohl die radiologischen Veränderungen auf den ersten Blick ähnlich aussehen können. Die Behandlung beinhaltet eine Resektion der Verkalkungen und das Annähen der avulsierten Flexorsehnen an danebenliegenden Sehnen oder Muskelfaszien.

Hüftgelenk

Häufige Erkrankungen des Hüftgelenkes bei Katzen sind die Hüftgelenkdysplasie (HD) und die Coxarthrose. Coxarthrose tritt in der Regel infolge von HD oder von Trauma auf. Die Prävalenz von HD beträgt 7-32%, wobei Rassekatzen (Maine Coon, Himalayan, Siamesen, Abyssinier, Devon Rex, and Perser Katzen) öfter betroffen sind als Europäische Kurzhaarkatzen11,12. Katzen mit HD können gleichzeitig an Patellaluxation leiden13. Radiologisch präsentiert sich die HD bei Katzen etwas anders als bei Hunden. Die häufigsten radiologischen Veränderungen sind ein flaches Azetabulum mit Subluxation des Femurkopfes11,12. Obwohl das Azetabulum auch bei normalen Katzen flacher ist als beim Hund, sollte ein Hüftgelenk wo weniger als 50% des Femurkopfes innerhalb des Azetabulums liegt als dysplastisch bezeichnet werden11,12. Coxarthrose infolge HD ist bei Katzen radiologisch weniger ausgeprägt als bei Hunden. Die ersten Knochenzubildungen finden sich am kranialen Azetabulumsrand. Katzen mit HD sollten nicht zur Zucht verwendet werden.

Männlich-kastrierte, 1-2 jährige, übergewichtige Katzen haben eine Prädisposition für eine spontane Dislokation der proximalen Femurepiphysenfuge14 und/oder eine metaphysäre Osteopathy des Femurhalses15. Diese beiden Erkankungen haben einige Ähnlichkeiten. Radiololgisch werden Frakturen der Wachstumsfuge und/oder Nekrose oder pathologische Frakturen des Femurhalses gesehen, zum Teil beidseitig. Ätiologisch wird vermutet dass ein verspäteter Wachstumsfugenschluss bei kastrierten Katern zu überbelastung der Fuge und so zu Frakturen führt. Primäre Behandlungsmöglichkeiten bestehen nicht, so dass eine Femurkopf- und -halsresektion durchgeführt werden muss. Eine Hüftprothese wäre eine andere denkbare Behandlungsmöglichkeit.

Kniegelenk

Häufige Erkrankungen des Kniegelenkes beinhalten die kongenitale Patellaluxation, Rupturen des vorderen Kreuzbandes und Mineralisation im kranialen Kompartiment des Kniegelenkes.

Die kongenitale Patellaluxation kommt bei gewissen Rassen (zB. Abyssinier and Devon Rex) gehäuft vor, betrifft aber alle Katzen. In den meisten Fällen luxiert die Patella nach medial und es sind beide Kniegelenke betroffen. Vorsicht ist bei der klinischen Gradeinteilung geboten, da Katzen eine grössere Laxizität der Kniescheibe als Hunde haben und bei vielen Katzen die Patella auf den Rand der Trochlea geschoben werden kann. Klinische Symptome beinhalten Inaktivität, Unvermögen zu Springen, oder Lahmeit, die manchmal in akuten Schüben auftritt. Die chirurgischen Techniken zur Korrektur einer Patellaluxation beinhalten eine Transposition der Tuberositas tibia und eine Sulkoplastie und haben eine gute Prognose16,17 Weichteilkorrekturen alleine sind oft nicht erfolgreich.

Der Kreuzbandriss bei der Katze ist oft traumatisch bedingt, obwohl eine degenerative Kreuzbanderkrankung wie beim Hund wahrscheinlich auch vorkommt18. Betroffene Katzen sind im Gegensatz zu Katzen mit Trauma typischerweise älter und schwerer. Oft ist auch zum Zeitpunkt der Diagnose bereits OA im Knie vorhanden. Die optimale Behandlung von Kreuzbandrissen bei Katzen wird aus Mangel an Literatur kontrovers diskutiert, aber es ist vorstellbar dass eine chirurgische Stabilisierung zu einer schnelleren Erholung und einer Reduktion von Instabilitäts-bedingtem Schmerz führt.

Radiologisch werden bei Katzen oft Mineralisationen im kranialen Kompartiment des Kniegelenkes gesehen. Die Signifikanz dieser Mineralisationen ist nicht vollständig bekannt. Es scheint allerdings dass kleine Mineralisationen im Meniskus in Abwesenheit von Arthrose normal sind, grosse Mineralisation aber wahrscheinlich einen Zusammenhang mit OA und Kreuzbandriss aufweisen und somit als pathologisch betrachtet werden müssen.

Referenzen

1.  Hardie et al. J Am Vet Med Assoc 2002; 220: 628.

2.  Clarke and Bennet. J Small Anim Pract 2006; 47: 439.

3.  Hardie. Vet Clin North Am Small Anim Pract 1997; 27: 945.

4.  Scarlett and Donoghue. J Am Vet Med Assoc 1998; 212: 1725.

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6.  Pedersen et al. Am J Vet Res 1980; 41: 522.

7.  Carro. Comp Contin Educ 1994; 16: 57.

8.  Bennett and Nash. J Small Anim Pract 1988; 29: 501.

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11. Keller et al. Vet Radiol Ultrasound 1999; 40: 460.

12. Langenbach et al. J Am Vet Med Assoc 1998; 213: 1439.

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14. McNicholas et al. J Am Vet Med Assoc 2002; 221: 1731.

15. Queen et al. Vet Rec 1998; 142: 159.

16. Houlton and Meynink. J Small Anim Pract 1989; 30: 349.

17. Loughlin et al. J Am Vet Med Assoc 2006; 228: 1370.

18. Harasen. Vet Comp Orthop Traumatol 2005; 4: 254.

 

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