Interpretation der Lungenmuster beim Hund und bei der Katze
World Small Animal Veterinary Association World Congress Proceedings, 2010
Gabriela S. Seiler, Dr.med.vet., DECVDI, DACVR
Raleigh, NC, USA

Lesen Sie die englische Übersetzung: How to Make Sense of Pulmonary Patterns in Dogs and Cats

Einführung

Thoraxröntgenaufnahmen werden routinemässig angefertigt in der Kleintiermedizin, ihre Interpretation bleibt jedoch eine Herausforderung. Der Grund, warum die Interpretation der Lunge schwierig ist, liegt darin, dass viele verschiedene Erkrankungen ein ähnliches Erscheinungsbild haben. Das Konzept der Lungenmuster basiert auf der Annahme, dass verschiedene Lungenerkrankungen unterschiedliche anatomische Strukturen betreffen. Dies ist aber nicht der Fall, die meisten Erkrankungen involvieren diverse und nicht immer dieselben Komponenten der Lunge, und fortschreitende oder abheilende Erkrankungen können von einem anatomischen Gebiet in ein anderes wechseln. Das Konzept der Lungemuster ist also nicht perfekt, kann aber dennoch, wenn angemessen verwendet, ein nützliches diagnostisches Hilfsmittel sein. In der Folge werden die Lungenmuster, ihre Röntgenzeichen und Bedeutung, aber auch ein alternativer Weg zur Interpretation des Lungenparenchyms beim Hund und bei der Katze beschrieben.

Lungenerkrankungen und Ihre Interpretation

Die Interpretation von Thoraxaufnahmen ist oft allzu sehr auf die Identifikation eines Lungenmusters fixiert, obwohl es wichtig wäre alle anderen Befunde in Betracht zu ziehen, gerade weil das Konzept der Lungenmuster limitiert ist. 1,2 Zuerst sollten Thoraxaufnahmen immer auf Qualität untersucht werden, speziell wenn eine Lungenerkrankung vermutet wird. Unterentwicklung, Expiration, und Patienten-bedingte Faktoren wie Fettleibigkeit führen zu einer erhöhten Röntgendichte, was fälschlicherweise als interstitielles Lungenmuster interpretiert werden kann. Extrapulmonäre Erkrankungen wie Pleuralerguss haben den gleichen Effekt und müssen ebenfalls ausgeschlossen werden, bevor die Lungen als abnormal bezeichnet werden. Wenn die Lungen tatsächlich zu röntgendicht sind, wird der Typ des Lungemusters, die Verteilung (fokal, lobär, multifokal oder diffus) und Lokalisation (kranioventral, kaudodorsal, etc.) bestimmt. Falls mehrere Lungenmuster vorhanden sind, gilt es die vorherrschende Komponente zu berücksichtigen, da diese am ehesten die Ursache des Problems aufzeigt. Vier verschiedene Lungenmuster sind beschrieben.

Lungenmuster

Alveoläres Muster

Ein alveoläres Lungenmuster ist das Resultat von Akkumulation von Flüssigkeit (Eiter, Ödem, Blut) oder seltener Zellen im Alveolärraum. Ein kompletter Kollaps der Alveolen (Atelektase) führt zum gleichen Effekt, die Luft in den Alveolen ist verdrängt. Dies führt zu Verlust der angrenzenden Weichteilschatten (Lungengefässe, Herzschatten oder Zwerchfell). Kleinere, unscharf begrenzte Flecken mit alveolärem Muster können zu grösseren, homogenen Weichteilschatten verschmelzen, die verbleibende Luft in den Bronchien zeigt sich als "Luftbronchogramm". Luftbronchogramme sind of nicht sichtbar in frühen Phasen der Erkrankung, ihre Abwesenheit schliesst die Diagnose eines alveolären Lungenmusters nicht aus. Wenn die Erkrankung sich auf einen Lungenlappen beschränkt, wird der betroffene Lungenlappen scharf begrenzt ("lobar sign"). Die Verteilung der Veränderungen bestimmt die wahrscheinlichste Ursache:

Tabelle 1: Ausgewählte Differenzialdiagnosen für alveoläre Lungenmuster basierend auf Verteilung der Veränderungen. 3-6

Verteilung

Differentialdiagnosen

Kranioventral

Pneumonie, Lungenblutung, Tumor, Lungenlappentorsion

Kaudodorsal bis diffus

Kardiogenes (Hund) oder nicht-kardiogenes Lungenödem

Unilateral mit mediastinalem shift zur gleichen Seite

Atelektase, Obstruktion der Luftwege

Fokal oder multifokal

Trauma/Lungenblutung, kardiogenes Ödem (Katze), Neoplasie, PIE, Infektion (Dirofilariose), Lungenembolie

Bronchiales Muster

Ein bronchiales Lungenmuster ist eine abnormale Verschattung verursacht durch peribronchiales Zellinfiltrat, Flüssigkeit, Fibrose, oder Verdickung der Mukosa oder Submukosa der Bronchien (chronische Bronchitis). Röntgenzeichen eines bronchialen Musters sind: zirkuläre "Ringschatten" und lineare, parallele Linien, verursacht durch Längs- und Querschnitte durch die verdickten Bronchien. Diese Veränderungen sind am besten sichtbar in der Peripherie der Lungenlappen, wo normalerweise keine Bronchialwände sichtbar sein sollten. Die Röntgendichte der Lungen ist generell nicht erhöht, bei Obstruktion der unteren Atemwege kann es sogar zu überdehnung der Lungen und erhöhter Strahlendurchlässigkeit kommen. 7 Chronische Bronchitis kann zu Erweiterung und Verlust der normalen kontinuierlichen Verjüngung des Bronchiallumens führen (Bronchiektasie). Es ist wichtig, Bronchiektasie zu erkennen, da diese Patienten anfälliger sind auf sekundäre Infektionen wegen reduzierter mukoziliärer Funktion. Bronchiektasie ist ein Zeichen von Chronizität und ist meistens irreversibel.8

Tabelle 2: Ausgewählte Differenzialdiagnosen für bronchiales Lungenmuster

Chronische Bronchitis

Peribronchiales Infiltrat

Allergisch

Ödem

Irritans z.B. Rauch

Pulmonary infiltrates with eosinophils (PIE)

Parasitär

Infektion (Bronchopneumonie)

Interstitielles Muster:

Der Interstitialraum besteht aus Alveolar- und interlobulären Septen, sowie mikroskopischen Blutgefässen. Strukturiertes und unstrukturiertes interstitielles Lungemuster wird unterschieden. Ein unstrukturiertes Muster ist verursacht durch Ansammlungen von Flüssigkeit, Zellen oder Fibrin im Bindegewebe-Gerüst der Lunge, zwischen den Alveolen und um die Blutgefässe und Bronchien. Das Resultat ist eine generalisierte Erhöhung der Röntgendichte, das Lungenparenchym wirkt "verschleiert" und die Begrenzungen der Lungengefässe und Bronchialwände sind unscharf. Summation mehrerer linearer Verschattungen führt zu einem netzartigen Muster. Das Lungevolumen ist meistens normal, kann aber reduziert sein mit Lungenfibrose. 9 Alveoläre Krankheiten in Transformation (in Entstehung oder Auflösung) mit Alveolen die teilweise kollabiert oder mit Flüssigkeit gefüllt sind, führen zum gleichen Erscheinungsbild wie Verdickung der Alveolarsepten bei interstitiellen Erkrankungen. Prinzipien der Lokalisation verschiedener Krankheiten gelten daher für alveoläre und interstitielle Lungenmuster.

Tabelle 3: Ausgewählte Differenzialdiagnosen für diffuses und fokales interstitielles Lungenmuster

Diffus

Fokal

Lymphosarkom

Partielle Atelektase

Pneumonitis - viral, parasitär, Septikämie, metabolisch (Urämie), Inhalans, Toxin

Krankheit in Transformation - Pneumonie, Blutung

Krankheit in Transformation - Ödem, Blutung

Bronchialer Fremdkörper

Interstitielle Fibrose

Thromboembolische Erkrankung

Zell-Aggregationen im Bindegewebe der Lungen führen zu einem nodulären Lungenmuster. Die Rundschatten müssen eine bestimmte Grösse erreichen um auf einem Röntgenbild (7-9mm) erkennbar zu sein. 10 Am besten sichtbar sind Rundschatten in der Peripherie der Lungen, und über dem Herz und Zwerchfell, wo weniger andere Lungenstrukturen wie Gefässe überlagert sind. Zwei laterale, oder idealerweise 3 Röntgenprojektionen sind äusserst wichtig, da ein partieller Kollaps der unten liegenden Lunge die Rundschatten verdeckt. Rundschatten sollten nicht mit Summationsartefakten wie Gefäss-Querschnitten, Hautknötchen oder Brustwarzen verwechselt werden.

Tabelle 4: Ausgewählte Differenzialdiagnosen für solitäre und multiple Rundschatten11

Solitäre Rundschatten

Multiple Rundschatten

Primärer Lungentumor

Lungenmetastasen

Lungenabszess

Granulomatöse Erkrankung (Dirofilariose, Fungus)

Granulom

Flüssigkeitsgefüllte Bullae, Zysten, Hämatome

Flüssigkeitsgefüllte Bulla, Zyste, Hämatom

 

Vaskuläres Muster

Ein vaskuläres Muster ist nicht ein Lungemuster im engeren Sinn, da meist keine pulmonäre sondern eine kardiovaskuläre Erkrankung zugrunde liegt. Es wird verursacht durch Veränderungen in Grösse, Form oder Anzahl von Lungengefässen. Die Blutmenge, die im Lungengewebe zirkuliert, hat aber dennoch eine Auswirkung auf die generelle Lungendichte. Erhöhte Durchblutung führt zu einer vermehrten Röntgendichte, während verminderte Perfusion eine erhöhte Strahlendurchlässigkeit zur Folge hat.

Alternative zur Interpretation der Lungenmuster

Tagtäglich haben wir es mit Patienten zu tun, deren Lungenzeichnung nicht in ein klassisches Lungenmuster passt. Statt sich den Kopf zu zerbrechen, welches Lungemuster man nun beschreiben muss, sollte man sich auf die weitere Aufarbeitung des Patienten konzentrieren. Eine definitive Diagnose wird nur selten allein durch Röntgenaufnahmen gestellt, aber die Röntgenbilder sind ausserordentlich nützlich, um den nächsten und hilfreichsten diagnostischen Test zu bestimmen. Wichtig ist vor allem die Entscheidung, ob die Luftwege (Alveolen und/oder Bronchien) irgendwie betroffen sind. Ist dies der Fall, ist eine bronchoalveoläre Lavage oder trans-tracheale Aspiration wahrscheinlich informativ. Wenn die Erkrankung vor allem das Interstitium betrifft, sind andere, invasivere Methoden wie Aspiration oder Biopsie des Lungegewebes erforderlich, wenn dies klinisch indiziert ist.12 Natürlich müssen Anamnese, klinische Befunde, Laboranalysen und andere Röntgenbefunde mit den Röntgenveränderungen des Lungengewebes in Einklang gebracht werden. Die wahrscheinlichste Differentialdiagnose und Entscheidungen über weitere diagnostische Tests hängen von einer Kombination all dieser Befunde ab.

Bibliographie

1.  Scrivani. Vet Clin Small Anim 2009; 39: 719-732.

2.  Mai et al. 2008; BSAVA manual of canine and feline thoracic imaging. 242-260.

3.  Kogan et al. J Am Vet Med Assoc 2008; 233: 1742-1747.

4.  Begnini et al. J Small Anim Pract 2009; 50: 9-14.

5.  Goggs et al. J Vet Emerg Crit Care 2009; 19: 30-52.

6.  D'Anjou et al. Vet Radiol Ultrasound 2005; 46: 478-484.

7.  Gadbois et al. J Am Vet Med Assoc 2009; 234: 367-75.

8.  Hawkins et al. J Am Vet Med Assoc 2003; 223: 1628-1635.

9.  Lobetti et al. J Am Anim Hosp Assoc 2001; 37: 119-127.

10. Nemanic et al. J Vet Int Med 2006; 20: 508-515.

11. Suter et al. Vet Radiol Ultrasound 1974; 15: 3-24.

12. Berry et al. 2007 Textbook of Veterinary Diagnostic Radiology 5th ed. 471-480.

 

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Gabriela S. Seiler, Dr. med. vet., DECVDI, DACVR
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