Hämotrope Mykoplasmen bei Katze Und Hund: Übertragung, Diagnose, Prävalenz und Bedeutung in Europa
World Small Animal Veterinary Association World Congress Proceedings, 2010
B. Willi; M. Novacco; M.L. Meli; G.A. Wolf-Jäckel; F.S. Boretti; N. Wengi; H. Lutz; R. Hofmann-Lehmann
Zürich, Schweiz

Lesen Sie die englische Übersetzung: Haemotropic Mycoplasmas of Cats and Dogs: Transmission, Diagnosis, Prevalence and Importance in Europe

Einführung

Hämotrope Mykoplasmen, auch Haemoplasmen genannt, sind kleine, zellwandlose Bakterien, die sich an die Oberfläche von Erythrozyten infizierter Tiere anheften. Früher bekannt als Haemobartonella und Eperythrozoon Spezies, verursachen sie bei verschiedenen Säugerarten infektiöse Anämien. Neue Erkenntnisse über das bakterielle Genom dieser Erreger führte zur Einteilung der haemotropen Mykoplasmen innerhalb des Genus Mycoplasma.1 Haemoplasmeninfektionen können zu akuter Hämolyse führen, welche mit Anorexie, Lethargie, Dehydratation, Gewichtsverlust oder plötzlichem Tod des Tieres einhergehen kann. Haemoplasmen können nicht in vitro gezüchtet werden, was die Forschung massgeblich erschwert. Die Entwicklung spezifischer PCR-Methoden erlaubt seit kurzem eine vertiefte Untersuchung der Pathogenese und Epidemiologie der felinen und caninen Haemoplasmeninfektionen.

Haemotrope Mykoplasmen der Katze

Ursprünglich wurden zwei verschiedene feline Haemoplasmen beschrieben: das sog. Ohioisolat (grosse Form) und das Kalifornienisolat (kleine Form) von Haemobartonella felis.2-4 Diese Isolate sind heute bekannt als Mycoplasma haemofelis (Mhf)1 und 'Candidatus Mycoplasma haemominutum' (CMhm)5. Im Jahre 2002 wurde eine dritte feline Haemoplasmenart in einer Schweizer Hauskatze mit hämolytischer Anämie entdeckt; dieser Erreger wurde,Candidatus Mycoplasma turicensis' (CMt) genannt.6,7 Ausserdem wurde vor kurzem eine vierte Spezies beschrieben, welche 'Candidatus M. haematoparvum' (CMhp) des Hundes ähnelt.8 Mittels PCR wurden feline Haemoplasmen weltweit in Haus- und Wildkatzen nachgewiesen.9 Dabei kommen auch Koinfektionen mit mehreren Haemoplasmen vor. Im Westen und Süden der Schweiz treten feline Haemoplasmeninfektionen häufiger auf als im Rest des Landes.7

Das pathogene Potential der felinen Haemoplasmen ist unterschiedlich hoch und kann durch Kofaktoren wie vorbestehende Immunschwäche oder Retrovirusinfektionen verstärkt werden. Im Allgemeinen ist Mhf pathogener als CMhm.3,10 In experimentell infizierten Katzen führte CMt oft zu einer milden bis mittelgradigen Anämie.7,11,12 In natürlich infizierten Katzen wurden Risikofaktoren für Haemoplasmeninfektionen identifiziert: so waren alte und männliche Katzen, Tiere mit Auslauf, ohne Stammbaum, mit abszedierten Bisswunden oder Retrovirusinfektionen häufiger infiziert. Klinisch kann sich die Infektion je nach Infektionsstadium unterschiedlich präsentieren.13 Es ist weitgehend unbekannt, warum gewisse infizierte Katzen eine lebensbedrohende Anämie entwickeln, während dem andere asymptomatisch bleiben. Die Empfänglichkeit scheint individuell unterschiedlich zu sein und hängt evtl. von der Blutgruppe des inifzierten Tieres ab.12 Doxyzyklin, Enrofloxazin und Marbofloxazin können die Bakterienbürde im Blut reduzieren und die klinischen Symptome verringern.14-17 Da Enrofloxazin bei Katzen zu akuter Blindheit führen kann, ist Doxyzyklin (10 mg/kg/Tag PO) das Mittel der Wahl. Zur Vermeidung von Ösophagitis und Ösophagusstrikturen sollten Doxyzyklintabletten zusammen mit Wasser oder Futter verabreicht werden. Die Antibiotikabehandlung scheint die Haemoplasmeninfektion nicht komplett zu eliminieren; infizierte Katzen können somit zu asymptomatischen Trägern werden. Eine Reaktivierung der Infektion scheint aber selten.3

Haemotrope Mykoplasmen des Hundes

Infektionen mit Haemobartonella canis--jetzt Mycoplasma haemocanis (Mhc) genannt--wurden gelegentlich bei anämischen Hunden beschrieben. Zusätzlich ist beim Hund CMhp bekannt.18,19 Beide Erreger scheinen weltweit vorzukommen, aber es gibt bisher nur wenige durch molekulare Methoden bestätigte Daten. Kürzlich wurden in einer PCR-basierten Studie in Europa canine Haemoplasmen häufiger in Ländern mit mediterranem Klima als in der Schweiz gefunden.20-22 Ausserdem wurde die Infektion häufiger bei jungen Rüden festgestellt.20 Eine hochgradige hämolytische Anämie kommt bei infizierten Hunden nur gelegentlich bei immungeschwächten oder splenektomierten Tieren vor. Das geringe pathogene Potential der Erreger wurde auch in zwei kürzlich durchgeführten PCR-basierten Studien bestätigt.20,21 Dabei wurde bei Haemoplasma-infizerten Hunden oft gleichzeitig Räude diagnostiziert.20 Die meisten infizierten Hunde zeigen einen chronischen, asymptomatischen Verlauf und können die Infektion nicht eliminieren. Auch dies wurde kürzlich bestätigt, indem Hunde über die gesamte Beobachtungszeit von bis zu 13 Monaten PCR-positiv blieben.21 Wie bei anderen Haemoplasmen ist davon auszugehen, dass eine Antibiotikatherapie nicht zu einer vollständigen Elimination der Erreger aber zu einer Verbesserung der klinischen Symptome führt.

übertragung

Der übertragungsweg von felinen und caninen Haemoplasmen ist weitgehend unbekannt. Bluttransfusionen führten nachgewiesenermassen zur übertragung von Mhf und CMhm.13,23 Auch scheinen blutsaugende Arthropoden eine Rolle zu spielen. Mhf und CMhm DNA wurde in Ctenocephalides felis und in Flohkot nachgewiesen; übertragungsexperimente mit Mhf und CMhm via C. felis waren aber nicht schlüssig.24-29 In von der Schweizer Vegetation gesammelten Ixodes-Zecken wurde keine Haemoplasmen-DNA gefunden.27,30 Im Gegensatz dazu scheint die braune Hundezecke, Rhipicephalus sanguineus, wichtig zu sein für die übertragung caniner Haemoplasmen.31 In Europa ist diese Zeckenart hauptsächlich in Gebieten mit mediterranem Klima zu finden, wo auch die Prävalenz der caninen Haemoplasmeninfektionen hoch ist.20,22 Gewisse feline Haemoplasmen werden über Speichel und Kot ausgeschieden12,27,32, was auf die Möglichkeit einer direkten übertragung hindeutet. Allerdings konnte CMt in einer kürzlich durchgeführten in vivo Studie nicht via Speichel übertragen warden.12 Nur die Inokulation selbst kleinster Mengen PCR-positiven Bluts führte zur Infektion der Empfängerkatze; dies deutet darauf hin, dass es zu einer CMt-übertragung durch aggressive Interaktionen zwischen Katzen kommen kann.12 Eine ähnliche Vermutung wurde angestellt für Mhc, da dieser Erreger häufiger bei japanischen Kampfhunden als bei anderen Rassehunden festgestellt wurde.33

Diagnose

Es wurden spezifische, konventionelle und quantitative TaqMan real-time PCR-Methoden für Haemoplasmen entwickelt; sie stellen den Goldstandard für den Nachweis dieser Erreger dar.9,21,30,34-36 Es gibt bisher keine Möglichkeit Haemoplasmen in vitro anzuzüchten. Der mikroskopische Nachweis von Haemoplasmen auf Giemsa-gefärbten Blutausstrichen ist unzuverlässig. Dies gilt im Speziellen für CMt, da die Bakterienbürde von CMt im Blut i.d.R. tief ist. Kürzlich gelang es erstmals CMt unter Verwendung von Elektronenmikroskopie darzustellen. Es sind zur Zeit keine serologischen Nachweismethoden für die Routinediagnostik verfügbar.

Prävalenz und Bedeutung der Haemoplasmen in Europa

Infektionen mit felinen Haemoplasmen wurden in allen untersuchten europäischen Populationen gefunden. In der Schweiz ist die Prävalenz caniner Haemoplasmeninfektionen niedriger als in den meisten untersuchten Ländern.20 Zudem waren die infizierten Hunde in der Schweiz entweder aus Regionen importiert, in denen R. sanguineus vorkommt, oder sie hatten sich vorübergehend in solchen Regionen aufgehalten.21 Dies stützt die Hypothese, dass canine Haemoplasmen von blutsaugenden Arthropoden übertragen werden können, speziell von solchen, die auf ein mildes Klima angewiesen sind. Es wurde auch gezeigt, dass canine Haemoplasmeninfektionen häufiger bei jungen Hunden, Mischlingen und bei Zwingerhaltung vorkommt.20 Die Zwingerhaltung könnte einen Einfluss haben auf das Infektionsrisiko, da Zwingerhunde oft in Gruppen gehalten werden und somit ein höheres Risiko für eine direkte Haemoplasmenübertragung von Hund zu Hund und eine höhere Floh- und Zeckenexposition bestehen könnte.

Haemoplasmeninfektionen können zu hochgradiger hämolytischer Anämie führen, und wenn die Infektion nicht zur Zeit erkannt und adequat therapiert wird, kann die Erkrankung einen tödlichen Verlauf nehmen. Die engen Verwandtschaften zwischen CMt und Nagerhaemoplasmen sowie zwischen Katzen- und Hundehaemoplasmen lassen eine mögliche übertragung dieser Erreger zwischen den Wirtsspezies vermuten.7,18 Während CMt bisher noch nicht in Nagetieren nachgewiesen werden konnte, wurde von einer CMhm-Infektion eines Hundes in China berichtet.37 Ausserdem wurde Mhf kürzlich im Blut eines AIDS-Patienten aus Brasilien mittels PCR nachgewiesen38, und im Blut von chinesischen Schweinebauern und--tierärzten wurden mittels PCR Schweinehaemoplasmen-ähnliche Organismen entdeckt39-41. Diese Erkenntnisse unterstreichen die Möglichkeit einer Interspeziesübertragung von Haemoplasmen. Das zoonotische Potential von Haemoplasmen wurde bisher weitestgehend ausser Acht gelassen.

Diskussion

Feline Haemoplasmeninfektionen sind in der Schweiz und anderen europäischen Ländern relativ häufig anzutreffen. Da sich die felinen Haemoplasmenspezies in ihrer Pathogenität unterscheiden, ist eine Speziesbestimmung mittels molekularer Methoden von zentraler Bedeutung. Allerdings kann man mit Hilfe molekularer Methoden nicht zwischen akuten und chronischen Infektionen unterscheiden. In der Schweiz kommen Haemoplasmeninfektionen vor allem bei Hunden nach Auslandsaufenthalt vor, in Ländern mit mediterranem Klima hingegen scheinen sie häufiger aufzutreten. Die Prävalenz der caninen Haemoplasmen scheint vom Klima und den Haltungsbedingungen der Hunde (z.B. Zwingerhaltung) abhängig. Die Erreger zeigen ein kleines pathogenes Potential und die meisten infizierten Hunde sind asymptomatische Trägertiere. Eine Immunsuppression oder Splenektomie kann jedoch zu einer lebensbedrohlichen Anämie führen.

Die Diagnostik der Haemoplasmeninfektion basiert auf dem Erregernachweis im Blut mittels PCR. Da eine Antibiotikatherapie zu falsch-negativen PCR-Resultaten führen kann, müssen Blutproben vor Therapiebeginn entnommen werden. Doxyzyklin, Enrofloxazin und Marbofloxazin vermindern die klinischen Symptome und die Errgerbürde im Blut infizierter Katzen, führen jedoch kaum zur Eliminierung der Erreger. Es gibt bisher keine experimentellen Studien über die Wirksamkeit einer Antibiotikatherapie bei caninen Haemoplasmeninfektionen. In Analogie zur Katze wird empfohlen, infizierte Hunde bei Anzeichen einer Haemoplasmose mit Doxyzyklin zu behandeln. Die Haemoplasmenübertragung scheint über Kontakt mit infektiösem Blut, blutsaugenden Arthropoden und über aggressive Interaktionen zwischen Katzen oder zwischen Hunden stattzufinden. Daher könnten Floh- und Zeckenkontrolle sowie die Vermeidung aggresssiver Interaktionen wichtige Massnahmen in der Bekämpfung der Erregerausbreitung sein. Weiterhin sollten Blutspender mittels PCR auf Haemoplasmen getestet werden. Der Nachweis von Mhf und anderen haemoplasmenähnlichen Organismen im Blut von Menschen mittels PCR sollte Anlass geben das zoonotische Potential der haemotropen Mykoplasmen weiter zu untersuchen.

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Speaker Information
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R. Hofmann-Lehmann
Zurich, Switzerland


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